About Schmidt.
Am 8. August wurde in der Galerie Michael W. Schmalfuß in Marburg eine Ausstellung mit neuen Bildern von Stefan S. Schmidt eröffnet.
Am gleichen Abend inszenierte der chinesische Meisterregisseur Zhang Yimou die Eröffnungsfeier der 29. Olympischen Spiele in Peking. Das waren für einen Freitagabend in Marburg schon interessante Alternativen: Im Fernsehen die multimediale, kunterbunte, vor Beeindruckungsästhetik überbordende Monstershow, in den Galerieräumen dagegen Artefakte in analoger Technik, die Objekte des Lebensalltags zeigen. In Peking (bzw. vor dem Fernseher) wurde dem Betrachter nichts weiter abverlangt, als eben beeindruckt zu sein. In Marburg musste der Betrachter selbst zu dem Event beisteuern – mit Imaginationskraft und einem wachen Auge. Denn Stefan S. Schmidt zeigt Stillleben.
Der Künstler malt immer stille Bilder ohne jeden effekthascherischen Gestus, er beschäftigt sich immer mit der ‚nature morte’ des Alltäglichen.
Stillleben sind eine große Herausforderung für Maler und Betrachter: Das Auge kann nicht – wie zum Beispiel bei Zyklen und Variationen – Hilfe suchend zum nächsten Bild springen, um sein Bedürfnis nach Erleben und Sinn durch Bezugnahme auf das andere Bild zu stillen. Auch der Raum, in dem die Stillleben hängen, bietet keinen Bezug. Alles spielt sich nur innerhalb der Begrenzung einer Leinwand ab; what you see is what you get!
Und das, was man bekommen kann, will erobert werden. Wenn Sie die Ausstellung besuchen, sollten Sie sich also auf etwas gefasst machen: Sie werden gefordert werden. Zwar sind Stefan S. Schmidts Bilder meist bestechend genau gemalt – Schatten, Falten, Spiegelungen und Lichtbrechungen fesseln das Auge – doch verlangen sie eine behutsame Annäherung, fast schon Versenkung um sie vollständig zu erfassen. Sie haben nichts mit denen amerikanischer Fotorealisten gemein.
Die Gegenstände sind nicht zufällig ausgewählt nach ihrem malerisch-handwerklichen Schwierigkeitsgrad, ihre Anordnung bedient auch keine klassische oder zeitgeistige Symbolik. Schmidts Welten sind subjektive Konstruktionen: Sie haben immer zwei ästhetische Ebenen – das sorgfältige Arrangement der Dinge und die malerische Inszenierung durch Blickwinkel, Licht und Farbe. Hieraus entsteht eine besondere Qualität, die den Betrachter bekannt Geglaubtes mit neuen Augen sehen lässt, eine Begegnung mit dem Unvertraut-Vertrauten.Sie werden also den Bezug zu den Bildern für sich selbst rekonstruieren müssen!
Was sich der Künstler dabei gedacht haben mag, ist nicht von Bedeutung; Schmidt malt keine Bilderrätsel, die Sie lösen müssen. Es zählt das Erlebnis, das Sie bei der Betrachtung im stillen Zwiegespräch mit dem Bild selbst schaffen. Stefan S. Schmidt ist ein hervorragender Maler: Sie dürfen sich ungestört in seine Bilder versenken.
Die Galerie Michael W. Schmalfuß zeigt die Arbeiten von Stefan S. Schmidt bis zum 14. September in Marburg, Steinweg 33. Aus diesem Anlass gibt es auch einen feinen Katalog.
Robert Schützendorf